Dienstag, 25. Januar 2011

Ex-Bundespräsident als Zeuge?

Hartnäckigkeit ist, das darf man wohl feststellen, eine der charakteristischen Eigenschaften von Adrian V. Mit dieser hat er es geschafft, dass sein Fall vor dem Landgericht neu aufgerollt wird. Sein Fall, das ist die Attacke auf den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler am 14. Oktober 2007. Nach der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels hatte Adrian V. den obersten Würdenträger der Bundesrepublik von hinten an die linke Schulter gegriffen und für einige Sekunden an Schulter und Taille umfasst. Die Staatsanwaltschaft sieht damit den Straftatbestand der Nötigung erfüllt. Das Oberlandesgericht hatte der Einordnung dieser Attacke als Nötigung widersprochen. Die Aktion sei allenfalls eine "vorübergehende, kurzzeitige Belästigung", gewesen. Der Angeklagte bestreitet den Sachverhalt nicht, hält sich aber für unschuldig. Er habe mit dem Staatsoberhaupt lediglich über einen ihn betreffenden Mietprozess diskutieren wollen, sagte er gestern vor dem Landgericht. Der Attacke vorangegangen waren gerichtliche Auseinandersetzungen über Nebenkosten für die Offenbacher Mietwohnung, in der Adrian V. mit seiner Frau und den beiden Kindern lebte. Prozess über Prozess führte er und unterlag in allen Instanzen. Es folgte die Zwangsräumung der Wohnung, und, wie er gestern schilderte, eine vorübergehende Obdachlosigkeit der Familie. Inzwischen sei er von Frau und Kindern getrennt, habe seine Arbeit verloren, lebe von Hartz IV. Die Sache mit den Nebenkosten und ihren Folgen hat Adrian V., nach allem, was er gestern vor Gericht äußerte, noch nicht verwunden. Er sieht sich als Opfer der Unfähigkeit der hessischen Justiz. Das alles habe er seinerzeit Horst Köhler erzählen und, wenn‘s gut gelaufen wäre, ihm auch gleich ein paar Prozessunterlagen in die Hand drücken wollen. Adrian V. ist ein intelligenter Mann, wie der Vorsitzende Richter feststellt. Er ist wohl auch ein unversöhnlicher Mann. Er berichtet von einer Staatshaftungsklage, die er gegen das Land Hessen gefertigt habe, weil er Schadenersatz und Schmerzensgeld, insgesamt nicht weniger als 250 000 Euro begehre. Als Wiedergutmachung für all das Unrecht, das ihm widerfahren sei. Der Vorsitzende Richter weist darauf hin, dass all dies nichts zu tun hat mit dem Verfahren um die Attacke auf den damaligen Bundespräsidenten, sagt aber noch, dass es gute und schlechte Urteile gebe, richtige und falsche. "Wir leben nicht in einer Idealgesellschaft", so der Vorsitzende Richter. Sein Leben beherrschen zu lassen von als unkorrekt angesehenen Nebenkostenabrechnungen, sei problematisch. Dann tritt der erste der insgesamt drei Zeugen auf, jener Polizeibeamte, der damals den Angeklagten von Horst Köhler trennte. Alles sei blitzschnell gegangen, berichtet er. Zuerst hätten er und seine Kollegen gedacht, es sei ein Attentäter, der sich an den Bundespräsidenten geklammert habe. Innerhalb weniger Sekunden sei es gelungen, den Angeklagten vom staatlichen Würdenträger zu trennen. Der Angeklagte habe sich widerstandslos festnehmen lassen und auf dem Präsidium alle gewünschten Auskünfte gegeben. Schwere Vorwürfe ergebt Adrian V. gegen die Polizisten. Sie hätten ihm die Hände auf dem Rücken gefesselt und ihm diese, nachdem er sich entsprechend einer Anweisung, auf einen Stuhl gesetzt habe, über die Rückenlehne gezogen. Er spricht von dabei erlittenen "unbeschreiblichen Schmerzen". Der Vorsitzende Richter schlägt schließlich vor, das Verfahren einzustellen. Der Staatsanwalt findet das "zu gering" und möchte mindestens eine Verwarnung mit Strafvorbehalt gegen den Angeklagten ausgesprochen sehen. Das gefällt Adrian V. gar nicht, denn er hält sich für ja unschuldig. Sein Verteidiger stellt den Beweisantrag, den ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler als Zeugen zu bestellen. Darüber wird das Gericht (Gerichtsgebäude E - Saal 1 ), am Mittwoch, dem 2. Februar, entscheiden, wenn der Prozess um 14 Uhr fortgesetzt wird.

25.01.2011



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